Die bestialischen Tage von Nammering

Gedenkstein im Wald von Nammering
Bildrechte Dekanat/Mauch

Mit einer ökumenischen Andacht und Kranzniederlegung am Gedenkstein, einer szenischen Lesung sowie einer Mahnwache am ehemaligen Bahnhof gedachten am Samstag, 10. Mai  rund 300 Menschen in Nammering des größten NS-Verbrechens Niederbayerns vor 80 Jahren. Hier wurden 794 KZ-Häftlinge ermordet und verscharrt. Mit dieser Gedenkfeier setzten die Gemeinde Fürstenstein, der DGB Region Niederbayern und die Arbeitsgemeinschaft „KZ-Transport 1945“ ein Zeichen gegen das Vergessen. Zu den Rednern der dreistündigen Gedenkfeier gehörten Staatsminister Christian Bernreiter, der Direktor der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten, Karl Freller, Andreas Schmal vom DGB Region Niederbayern, Bürgermeister Stephan Gawlik, Nikolaus Saller, der Initiator der Gedenkstätten- und Erinnerungsarbeit in Nammering. Per Videobotschaft zugeschaltet war der Überlebende Ben Lesser. Die Andacht gestalteten Dekan Johannes Graf und Pfarrer Thomas Plesch ökumenisch.

Kranzniederlegung im Wald von Nammering
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Kranzniederlegung am Gedenkstein für die Opfer in Nammering. (v.l.n.r.) Staatsminister Christian Bernreiter, Nikolaus Saller, Gewerkschafter Andreas Schmal,Bürgermeister Stephan Gawlik und Karl Freller von der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten.

Vor 80 Jahren, vom 7. bis zum 28. April 1945 fand ein Eisenbahntransport mit Häftlingen aus dem KZ Buchenwald zum KZ Dachau statt. Von den 5.009 Gefangenen, die „verladen” wurden, kamen 816  in Dachau lebend an. Der Zug hatte sich in einen Zug voller Toter und Sterbender verwandelt.
Der Todes-Zug strandete für fünf Tage, vom 19.April bis zur Weiterfahrt am 24.April 1945 am Bahnhof Nammering. Insgesamt 794 KZ-Häftlinge wurden in Nammering ermordet. 270 von ihnen wurden verbrannt und 524 in einer Sumpfwiese verscharrt.

Die Sumpfwiese wird heute Todeswiese genannt
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Die Todeswiese in Nammering.

In seiner Begrüßung beschrieb Nikolaus Saller den Wandel in der Nammeringer Bevölkerung: von einer ursprünglichen Ablehnung der Erinnerungsstätte hin zur Mitarbeit. In der Andacht rief Dekan Johannes Graf dazu auf gegen den Hass vorzugehen, denn Hass gebäre Grausamkeit und Leichenberge. Pfarrer Thomas Plesch verdeutlichte, wie die Menschen in den 54 teils offenen Güterwaggons im Schneeregen eingepfercht waren. Jeweils 100 Menschen auf 14 Quadratmetern. Hinschauen und nicht wegsehen sei notwendig, sagte er. „So etwas Bestialisches darf niemals wieder passieren.“
„Nammering zeigt, wozu Hass und Hetze führen können“ sagte Bürgermeister Stephan Galwik bei der Gedenkfeier. Bei Erinnerung und Verantwortung könne es keinen Schlussstrich geben. „Wir setzen keinen Schlussstrich.“
Andreas Schmal bezeichnete das Massaker als das grausamste Verbrechen in Niederbayern. Es sei kein Zufall der Geschichte und es sei gefährlich, wenn die Demokratie nicht verteidigt wird.
Menschen würden erst zu Fremden, dann zu Feinden und schließlich zu „Niemand“ gemacht, sagte Minister Christian Bernreiter. Es dürfe und es solle nie wieder Menschen zu „Niemand“ gemacht werden.
Gedenkstättendirektor Karl Freller bezeichnete das Massaker als "fünf unendliche Tage des Grauens" in Nammering. Es sei Teil eines systematischen Terrors gewesen. Nur zwei Monate nach Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933 sei es von der Demokratie zur Diktatur gekommen. Wer wie der AfD-Wortführer von einem „Vogelschiss der Geschichte“ spreche, sei nicht zu trauen.

Besucher sitzen auf Bierbänken im Freien und hören der Lesung zu
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Rund 300 Personen nahmen an der Gedenkveranstaltung teil.

Bei der szenischen Lesung, die durch Gitarren- und Cellomusik des Duos CellAr unterbrochen wurde, kamen Texte verschiedener Zeitzeugen zu Gehör. Mit eindrücklichen Worten schilderten der damalige Bahnhofvorsteher, der Ortspfarrer, der Bürgermeister, sowie Bauern, Mägde und Überlebende in ihren Protokollen das Grauen.
Das letzte Wort an diesem Gedenkabend hatte der inzwischen 96-jährige Überlebende Ben Lesser. In seiner Videobotschaft bezeichnete er die Diktatur des Nationalsozialismus als eine Zeit, die die Menschlichkeit verloren hatte. „Es gab Mörder, Opfer und Zuschauer.“ Der heute wieder geschürte Hass müsse gestoppt werden. Er liebe die Deutschen und die deutsche Sprache, aber nicht die Nazis. Er forderte dazu auf, “keinen Platz für Intoleranz, Ungerechtigkeit, Rassismus und Gleichgültigkeit“ zu lassen.
Text und Fotos: Hubert Mauch