Preisgekröntes Engagement für Erinnerungskultur in Passau 

Gruppenfoto der Passauer BCJ-Preisträger
Bildrechte Lars Helwich

P-Seminar „Jüdisch to go“ am Gymnasium Leopoldinum gewinnt ersten Platz beim Studienpreis des BCJ Bayern. Eine starke Passauer Delegation wurde in Nürnberg gefeiert: Anna Zisler, Antje Spielberger, Rita Loher-Bronold, Dr. Konrad Wieland, Gina Roitman, Sebastian von Helmersen, Luisa Fleischmann, Felix Roll, Semion Bauer, Fleur Pickhardt, Vinzenz Hofmann, Lara Aigner, Finn-Luca Marzodko, Laura Röckl, Dekan Jochen Wilde, Nils Görner, Michael Schwägerl (bpv), Vera Utzschneider. (von links) ( Foto: BCJ.Bayern/Lars Helwich)

„Jüdisch to go – Stationen auf einem interaktiven WEG DER ERINNERUNG“ – unter diesem Motto lief von 2022 bis 2024 am Gymnasium Leopoldinum ein sehr außergewöhnliches P-Seminar, das bis heute nichts von seiner Strahlkraft verloren hat und nun mit einem wichtigen Preis offiziell gewürdigt wurde. Unter Leitung von Studiendirektorin Antje Spielberger und dem ehemaligen Schulleiter Markus Birner stellten sich 16 Schülerinnen und Schüler der anspruchsvollen Aufgabe, jüdisches Leben in Passau vom Mittelalter bis in die Nachkriegszeit zu erforschen und mit einer eigenen Webseite sichtbar zu machen. 

Unter tosendem Applaus konnten nun die ehemaligen P-Seminaristen bei einer feierlichen Preisverleihung in Nürnberg den Studienpreis des BCJ Bayern entgegennehmen. Alle zwei Jahre vergibt der „Verein zur Förderung des christlich-jüdischen Gesprächs in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayern“ Preise für herausragende wissenschaftliche Arbeiten an Schulen und Universitäten, die dem christlich-jüdischen Dialog dienen. Neun Projekte wurden in diesem Jahr ausgezeichnet. „Jüdisch to go“ belegte den 1. Platz in der Kategorie „Schulen“. Die Patenschaft für den Preis, für den es 300.- Euro Preisgeld gab, hat der Bayerische Philologenverband übernommen – vertreten durch Michael Schwägerl. 
 
Mit einem sympathischen Video stellten die jungen Leute bei der Preisverleihung die Inhalte und Funktionsweise ihrer Webseite mit interaktivem Stadtplan, historischen Informationen, Zeitdokumenten und Zeitzeugenvideos vor. Obwohl sie nun längst an unterschiedlichsten Orten sind, studieren oder arbeiten, wurde noch immer spürbar, welches Herzensanliegen ihnen dieses Projekt war und ist. 

Laudatorin StDin a.D. Vera Utzschneider lobte zum einen die herausragende Leistung des Technik-Teams bei der Webseitengestaltung. Zum anderen zeigte sie sich beeindruckt von den fundierten Recherchen zu den mittelalterlichen Quellen, der großen Zahl an Veranstaltungen, die die Schüler besuchten und davon, wieviel professionelle Hilfe sie akquiriert haben. Neben dem großen Engagement der Lehrkräfte, vor allem von Antje Spielberger, die viel Herzblut in das Projekt gesteckt habe, bewunderte Utzschneider, dass sich speziell die Schüler, die sich mit der jüdischen Nachkriegsgemeinde in der Passauer Bahnhofstraße beschäftigt haben, von den spärlichen Informationen zum Thema nicht entmutigen ließen. Im Gegenteil, sie forschten nach und fanden unter anderem Zeitzeuginnen aus Kanada und Israel, die über ihr Leben als „Displaced Person“ in Passau in eigenen Videoaufzeichnungen berichteten. 

Ein großes Lob gab es von ihrer Seite auch für die hohe Resilienz der Schülerinnen und Schüler. Sie hätten an ihrem Ziel festgehalten, ihre Arbeit über QR-Codes an den historischen Gebäuden, Einheimischen und Touristen zugänglich zu machen, auch wenn damals „nicht alle Pläne aufgegangen sind und die Stadtverwaltung nicht genehmigt hat, die Infotafeln in der Stadt aufzustellen.“ 

So schade es auch war, dass für die Gruppe als Passau als einzige kein öffentlicher Gruß oder Glückwunsch aus der Heimatstadt verlesen werden konnte, so stark war doch der Auftritt der „Passauer Delegation“: Mit dabei waren 10 P-Seminaristen, Lehrerin Antje Spielberger, Schulleiter Konrad Wieland, Dekan Jochen Wilde, die ehemaligen Kulturamtsmitarbeiterin Rita Loher-Bronhold, die Vorsitzende der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Straubing Anna Zisler und schließlich Gina Roitman, die extra aus Montreal, Kanada angereist war, um die Schüler zur Preisverleihung zu begleiten. Bis heute ist die Autorin und Filmemacherin den Schülern verbunden, die sie als Zeitzeugin in ihr Projekt holten. Ihre ersten neun Lebensmonate hat sie in Passau verbracht – aber ihr Leben lang nie das Gefühl verloren, eine „Displaced Person“ zu sein. Ihre Anwesenheit ehre die gesamte Veranstaltung, betonte die Laudatorin. Miriam Griver, ebenfalls eine wichtige Zeitzeugin für das Projekt, da ihr Vater Rabbiner im DP-Lager Pocking-Waldstadt war, konnte zu ihrem Bedauern nicht aus Israel ausreisen. Dafür sie mit einer berührenden Live-Videobotschaft vertreten: Sie sei stolz auf die Schülerinnen und Schüler und danke ihnen für die harte Arbeit an diesem Projekt, das gerade jetzt wo der Antisemitismus nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt wieder zunehmen würde, so wichtig sei. Es seien diese jungen Menschen die auch ihr persönliches Engagement als Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende fortführten. 


Initiativgruppe „WEG DER ERINNERUNG“ lädt zu erstem Netzwerktreffen ein 

Omid Babakhan, Gina Roitman, Laura Röckl und Dekan Jochen Wilde
Bildrechte Dekanat/Mauch

Omid Babakhan, Gina Roitman, Laura Röckl und Dekan Jochen Wilde trafen sich vor der Preisverleihung zu einem Interview in Passau 

Der Passauer Dekan Jochen Wilde, der bei der Preisverleihung in Nürnberg mit dabei war, fand die Veranstaltung überaus gelungen. Über das Projekt „Jüdisch to go“ sagt er: „Es ist ausgezeichnet – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Schülerinnen und Schüler stehen bis heute mit großer Begeisterung dahinter, es ist ihnen ein Herzensanliegen. Nun geht es um den Blick nach vorne. Wir haben hier ein Vorzeigeprojekt für die Stadt Passau, das für Einheimische und Besucher der Stadt gleichermaßen interessant ist und überregional für Begeisterung sorgt. Ich sehe es als wichtigen Baustein, um die digitale Erinnerungskultur in unserer Stadt weiterzuentwickeln.“

Genau in diese Richtung will die Initiativgruppe „WEG DER ERINNERUNG“ arbeiten, die sich die Auszeichnung zum Anlass nimmt, das Projekt „Jüdisch to go“ aus dem rein schulischen Kontext herauszuführen. Es geht darum, die Webseite zugänglich zu machen, über eine mögliche Realisierung der QR-Codes nachzudenken, Ideen zu sammeln und Unterstützer zu finden, um das preisgekrönte Projekt auch im öffentlichen Blickfeld und Bewusstsein sichtbar und erlebbar zu machen. Interessierte sind herzlich eingeladen, am ersten Netzwerktreffen am Mittwoch, 16.07.2025, um 19.00 Uhr, im Evang. Zentrum Passau, Dietrich-Bonhoeffer-Platz 1, 94032 Passau, teilzunehmen. Anmeldung unter presse.dekanat.passau@elkb.de.
PNP/Regina Kremsreiter